Schulranzen und Schulrucksäcke

Wieviel Schulranzen verträgt das Kind?

Wohl nichts bewegt die Emotionen von Eltern, Großeltern und Erziehungsverantwortlichen so sehr wie die Frage, welcher Schulranzen bzw. Schulrucksack der Richtige ist und welches Gewicht man einem heranwachsenden Rücken zumuten darf?

Hintergrund dieser Sorge ist, neben wenig fundierten aber verunsichernden Informationen in der breiten Medienlandschaft, die Tatsache, dass Rückenschmerzen und Haltungsschwächen im Kindes- und Jugendalter deutlich zugenommen haben. So weisen einige wissenschaftliche Studien auf einen „dramatischen“ Anstieg der Prävalenz von Rückenschmerzen mit zunehmendem Alter hin: von weniger als 10 % der unter 10-Jährigen bis zu 50 % bei 15- und 16-Jährigen (Sheir-Neiss et al. 2003). Somit kommt es insbesondere im Zuge der intensiven Wachstumsbeschleunigung während der Pubertät, zu einer auffälligen Häufung von Rückenbeschwerden.

Leergewicht und Tragegurte

Ein ergonomischer Schulranzen/Schulrucksack kann den Rücken entlasten. Dazu darf unter anderem das Leergewicht des Schulranzens 1.500 g bei einem Innenraumvolumen von mindestens 15 l nicht überschreiten.

Damit das Gewicht gleichmäßig auf den Rücken verteilt werden kann, müssen die Tragegurte mindestens 4 cm breit und ausreichend gepolstert sein. Außerdem sollten sie einfach zu verstellen sein.

Rückenteil und Fächeraufteilung

Beim Rückenteil des Ranzens ist zu beachten: Seitliche Erhöhungen und rutschfestes Material sorgen für einen optimalen Sitz. Eine atmungsaktive Polsterung ermöglicht eine bessere Luftzirkulation und eine ergonomische Konturierung entlastet die Wirbelsäule.

Wichtig ist ebenfalls die Ausrichtung der Fächeraufteilung. Sie muss so gestaltet sein, dass schwere Gegenstände dicht am Rücken platziert werden können.

Probetragen ist extrem wichtig

Um für den jeweiligen Kinderrücken den optimalen Schulranzen zu finden, ist es unbedingt erforderlich, dass der Ranzen beim Kauf Probe getragen, individuell angepasst und getestet wird.

Ist das Verhältnis zwischen Schulranzen-Gewicht und Gewicht des Kindes von Bedeutung?

Als ein wesentlicher Risikofaktor für das Auftreten von Haltungsschwächen und Rückenschmerzen im Kindes- und Jugendalter wird neben dem Bewegungsmangel und stundenlangem Sitzen auch die Belastung durch den beladenen Schulranzen/Schulrucksack diskutiert. Aus einem Schutzbedürfnis gegenüber den Heranwachsenden heraus wird jedes zusätzliche Gewicht kritisch betrachtet. Allerdings gibt es bisher keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass Rückenschmerzen bzw. Haltungsschwächen ausschließlich dem Tragegewicht geschuldet sind.

Die Empfehlungen für ein Tragegewicht, welches 10 bis 12,5 % des Körpergewichts nicht überschreiten sollte, sind ebenfalls nicht fundiert belegt. Im Gegenteil: Ergebnisse der Kid-Check Studie der Universität des Saarlandes zeigen, dass durchschnittlich fitte Heranwachsende auch bei einem Tragegewicht von 20 % ihres Körpergewichtes keine Anzeichen von Überlastung zeigen, wohingegen körperlich schwächliche Kinder durchaus schon bei 12 % Tragegewicht Anzeichen einer Überbelastung aufweisen. Normwerte verleiten somit zu irreführenden Kaufentscheidungen und lenken den Blick von eigentlich komplexeren Problemen ab.

Die Diskussionen betreffend einer möglichen Gefährdung heranwachsender Rücken sind sehr vielseitig und stehen immer im Zusammenhang mit dem Alter, der individuellen Belastungsverträglichkeit (Kraft und Koordinationsleistung), der Belastungsdauer, der ergonomischen Qualität des Schulranzens/Schulrucksacks, dem individuellen Trageverhalten und weiterer sogenannter Risikofaktoren wie Bewegungsmangel und stundenlangem Sitzen.

Das Wichtigste für Erziehungsverantwortliche zusammengefasst

Schulranzen oder Schulrucksack? Zumeist wird nach den ersten 3 Schuljahren vom Schulranzen auf den Schulrucksack, der etwas „cooler" wirkt, gewechselt. Sie können aber auch mit Beginn der Grundschule beide Optionen wählen, wenn sie den ergonomischen Anforderungen entsprechen (siehe „Mindestanforderungen“).

         →  Machen Sie eine potentielle Gefährdung des Kindes nicht an Grenzwerten (z. B. 12 %) hinsichtlich des Tragegewichts fest.     
         →  Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder nur das in die Schule mitnehmen, was sie wirklich brauchen.
         →  Achten Sie auf das richtige Tragen des Schulranzens/Schulrucksacks. Liegt er eng am Körper an? Sitz er nicht zu hoch und nicht zu niedrig?
               Sind schwere Ranzen-/Rucksackinhalte in den körpernahen Fächern verstaut?
         →  Be-lastung ist nicht immer auch Über-lastung.
               Das Tragen von Schulranzen/Schulrucksäcken hat auch einen positiven Trainingseffekt auf Muskeln und Knochen.
         →  Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Kinder täglich viel und abwechslungsreich bewegen. Das fängt mit dem Schulweg an.
               Denn nur Kinder, die sich ausreichend bewegen sind fitte Kinder.
         →  In Mode gekommene Trolleys sind für Ihre Kinder keine Hilfe. Im Gegenteil, sie haben gleich mehrere Nachteile.

Eine Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V. (BAG).

Eine Fragebogenerhebung (insgesamt wurden knapp 2.000 Fragebögen ausgewertet) der BAG aus Wiesbaden an hessischen Grundschulen - Schuljahr 2005/2006 - hat interessante Erkenntnisse zu nachfolgenden Fakten geliefert (Dordel, Breithecker et al. 2007).

  • Schulweg des Kindes (wie weit, wie zurückgelegt)
  • Trageverhalten (Dauer, Tragegewohnheiten)
  • Tragegewicht

Hier eine kurze Zusammenfassung:

Eine positive Erkenntnis war, dass mehr Kinder zu Fuß (74 %) zur Schule gehen, als immer vermutet wird. Dabei hatten die Kinder in der Mehrzahl (77,6 %) eine Schulweglänge von höchstens 1.000 m zu bewältigen und den Schulranzen (Schulrucksäcke waren zu dieser Zeit für die Grundschule noch nicht so verbreitet) somit für Hin- und Rückweg etwa eine halbe Stunde getragen.

Das Leergewicht der Schulranzen hat im Mittel mit einem Gewicht von 1,3 kg dem oberen Rand der Empfehlungen für Grundschüler entsprochen.

Das relative Schulranzengewicht – Gewicht des Ranzens (inkl. Inhalt) im Verhältnis zum Körpergewicht des Kindes – hat durchschnittlich 13,3 % betragen.

Hinsichtlich des Trageverhaltens konnte festgestellt werden, dass der Schulranzen von den Kindern zwar grundsätzlich auf dem Rücken getragen wurde, dieser aber in den wenigsten Fällen physiologisch positioniert war. Häufig war er mit zu langen Tragriemen zu weit hinten unten gelagert, sodass das Kind den oberen Rumpf als Kompensation deutlich nach vorn verlagern musste. Diese Situation stellt eindeutig eine unnötig hohe, in sagittaler Richtung asymmetrische Belastung der Wirbelsäule dar. Hier kommt es zu einer Kyphosierung der Wirbelsäule und Einengung des Brustkorbs, die nach Lai et al. (2001) zu einer Einschränkung von Lungenvolumina führt. Dieses Trageverhalten kommt u. a. dadurch vor, wenn dem Kind/seinen Eltern die Anforderungen an einen physiologischen Sitz des Schulranzens/Schulrucksackes über die Einstellung der Tragegurte nicht bekannt ist oder derselbe nicht über die notwendigen ergonomischen Anforderungen verfügt. Leider zeigt sich im Alltag eine eindeutige Tendenz zu diesem eher rückenschädlichen Trageverhalten. Dieses stellt eine unnötige Mehrbelastung für den Rücken dar.

Hier ist dringend Aufklärung erforderlich, insbesondere auch hinsichtlich der „coolen" Rucksäcke, die zwar superleicht, allerdings nicht die ergonomischen Kriterien erfüllen, die beispielsweise ein guter Schulrucksack aufweist.

Die Studie hat einmal mehr deutlich gemacht, dass neben den vielen Unsicherheiten betreffend Tragewicht, ergonomischer Anforderungen insbesondere das Trageverhalten eine dezidierte Aufklärung erforderlich machen. Mit der Gütesiegel-Auszeichnung der getesteten Schulranzen und Schulrucksäcke möchte die AGR hier einen wesentlichen Beitrag leisten.

Schlussbetrachtung

Mit der Einschulung beginnt für viele Kinder ein neuer Lebensabschnitt. Sie sind häufig stundenlangen Sitzbelastungen auf ergonomisch unzureichenden Sitzmöbeln sowohl in der Schule als auch in der Freizeit ausgesetzt und ein meist zu schwerer und nicht richtig getragener Schulranzen wird sie über Jahre hinweg begleiten. Hinzu kommt eine deutliche Verringerung ihrer Bewegungszeiten. In ihrer Summe können diese Bedingungen dazu führen, dass u. a. die Entwicklung der Körperhaltung negativ beeinflusst wird und Rückenschmerzen entstehen.

Grundsätzlich muss, solange sich das Haltungs- und Bewegungssystem noch in der Entwicklung befindet, von einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber Fehlbelastungen jeder Art ausgegangen werden. Umso bedeutender ist es, schon im Kindesalter auf ergonomische Bedingungen aufmerksam zu machen. Dazu gehört auch das Tragen eines ergonomischen Schulranzens, der mit einem maximalen Zusatzgewicht von 15 % des Körpergewichtes auf dem Rücken getragen werden muss. Dabei sollte das regelmäßige Tragen des Ranzens auch als angemessener Trainingsreiz für den sich entwickelnden Bewegungsapparat positiv gewertet werden.

Für Empfehlungen hinsichtlich ergonomischer Schul- und Freizeitmöbel orientieren Sie sich bitte an den bereits AGR-zertifizierten Produkten für einen gesunden Kinderrücken.

Quelle: Dr. Dieter Breithecker, Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltung und Bewegungsförderung.

Checkliste für rückengerechte Schulranzen und Schulrucksäcke

  • Zum Tragegewicht wurde bereits im obigen Text eine Empfehlung ausgesprochen. Entsprechend soll das Leergewicht für einen Schulranzens/Schulrucksacks folgende Werte nicht überschreiten:
    • Im Grundschulalter circa 1.300 g
      (bei einem Innenraumvolumen von mindestens circa 15 l)
    • Für weiterführende Schulen circa 1.500 g
      (bei einem Innenraumvolumen von mindestens 25 l)
  • Die Schulterträger müssen
    • gut gepolstert und ergonomisch geformt sein: Durch die Formgebung (S-Form) beispielsweise, wird der Nackenbereich zur Vermeidung von Druckstellen ausgespart. Weiterhin dürfen sie keine reizende Reibung auf Schulterhöhe erzeugen.
    • vor einem Abrutschen von den Schultern gesichert werden können, dies kann z. B. durch einen höhen und längenverstellbaren Brustgurt erfolgen.
    • mindestens 4 cm breit sein und aus rutschfestem Material bestehen.
    • leichtgängig verstellbar und optimal auf die Proportionsunterschiede einstellbar sein.
    • durch ihre Verstellbarkeit (Schulterhöhenverstellung) ein rumpfnahes nahes Platzieren des Rucksacks ermöglichen.
  • Die im Bereich des Rückens anliegende Seite vom Schulranzen/Schulrucksack muss eine stabile ergonomische Konturierung (unter Berücksichtigung der physiologischen Form der Wirbelsäule) aufweisen.
  • Die am Rücken anliegende Seite muss weiterhin so gestaltet sein, dass ein komfortables Tragen ermöglicht wird und welche die Dornfortsätze der Wirbelsäule entlastet. Die Hauptlast verteilt sich so seitengleich entlang der Wirbelsäule. Dabei ist darauf zu achten, dass der Inhalt nicht auf den Rücken des Kindes durchdrückt.
  • Da der Schulranzen/Schulrucksack eng am Rücken anliegt, muss die Polsterung, zur Belüftung und Verminderung eines Wärmestaus, atmungsaktiv sein.
  • Laufen und Springen gehört zum natürlichen Bewegungsdrang der Kinder. Um Pendelbewegungen weitestgehend zu verhindern, muss sichergestellt werden, dass sich der Schulranzen/Schulrucksack stabil und sicher am Körper fixieren lässt. So kann das Gewicht optimal von den Schultern auf den oberen Beckenkamm verlagert werden. Dies erfolgt z. B. durch entsprechende Gurtsysteme.
  • Ein rückennahes Platzieren und Tragen schwerer Gegenstände muss ebenfalls möglich sein, z. B. durch eine entsprechende Fächeraufteilung im Innenteil, Kompressionsgurte oder einem Tunnelzug mit Kompressionseffekt.
  • Verfügen der Schulranzen/Schulrucksack über seitlich angebrachte Verstaumöglichkeiten, so ist darauf zu achten, dass diese möglichst gleichmäßig befüllt werden um eine optimale Lastverteilung zu ermöglichen. Andernfalls kommt es zu einer negativen einseitigen Belastung.
  • Leichtgängige und einfach zu bedienende Schließmechanismen, die intuitiv genutzt werden können, ermöglichen einen einfachen und unkomplizierten Zugang.
  • Um den Schulranzen/Schulrucksack einfach vom Boden aufzunehmen um ihn dann auf dem Rücken zu platzieren muss eine komfortable Anhebehilfe (Tragegriff) vorhanden sein.
  • Der Rucksack muss selbständig und sicher stehen können. Zum Beispiel durch einen verstärkten Boden.

        Darüber hinaus sind für den Schulrucksack die
        zwei folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  • Eine leicht handhabbare Rückenlängenanpassung, passt die Höhe des Schulranzens individuell über eine Größenskalierung an. Der Ranzen lässt sich optimal an die Körperhöhe des Heranwachsenden anpassen. Der Verstellungsmechanismus darf dabei keinen Druck auf den Rücken des Kindes erzeugen.
  • Ein (abnehmbarer) Beckengurt mit weich gepolsterter Beckenflosse sollte vorhanden sein. Dieser verlagert das Gewicht optimal von den Schultern auf den hinteren, oberen Beckenkamm.

        Auch beim Schulranzen sinnvoll

  • Eine leicht handhabbare Rückenlängenanpassung, passt die Höhe des Schulranzens individuell über eine Größenskalierung an. Der Ranzen lässt sich optimal an die Körperhöhe des Kindes anpassen. Der Verstellungsmechanismus darf dabei keinen Druck auf den Rücken des Kindes erzeugen.
  • Ein (abnehmbarer) Beckengurt mit weich gepolsterter Beckenflosse sollte vorhanden sein. Dieser verlagert das Gewicht optimal von den Schultern auf den hinteren, oberen Beckenkamm.
  • Intuitiv zu bedienende Gurtsysteme erhöhen die Akzeptanz für die Nutzung und ermöglichen zudem ein einfaches An- sowie Ablegen des Schulranzens.
  • Falls Ihr Kind Probleme bei der Bedienung eines herkömmlichen Beckengurtes hat, kann ein mechanisch verstellbarer Beckengurt die Lösung sein. Mit einem mechanisch leichtgängigen Verschlusssystem, z. B. einem Drehknopf, geht die Einstellung sowie die Anpassung der Gewichtsverteilung kinderleicht.

Mindestanforderungen

  • Ein dem Alter des Heranwachsenden angemessenes Leergewicht
    • im Grundschulalter ca 1.300g
      (bei einem Innenraumvolumen von mindestens 15 l)
    • für weiterführende Schulen ca.1.500g
      (bei einem Innenraumvolumen von mindestens 25 l)
  • Schulterträger (Tragegurte): gut gepolstert, ausreichend breit, leichtgängig verstellbar, rutschsicher
  • Brustgurt: längen- und höhenverstellbar

  

  • Rückenteil: ergonomische Konturierung, druckstabil, atmungsaktiv, rutschfest
  • Stabil und sicher am Körper zu fixieren
  • Rückennahes Platzieren schwere Gegenstände
  • Gleichmäßige Lastverteilung bei außenliegenden Verstaufächern
  • Intuitive Verschließmechanismen
  • Komfortable Anhebehilfe (Tragegriff)
  • Sicherer Stand
  • Rückenlängenanpassung [Nur Rucksack]
  • Beckengurt [Nur Rucksack]

Außerdem sinnvoll

  • Rückenlängenanpassung [Schulranzen]
  • Beckengurt [Schulranzen]
  • Mechanisch leichtgängig verstellbarer Beckengurt [Schulranzen]

Produkte mit dem AGR-Gütesiegel

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Mit dem richtigen Schulranzen/-rucksack den Rücken physiologisch belasten

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