Drei Schritte zum rückenfreundlichen Fahrrad
Welche verschiedenen Radtypen gibt es und worauf kommt es bei der Auswahl an?
1. Schritt: Auswahl des geeigneten Radtyps und der Rahmengröße
Der Händler muss über einen ausreichend großen Testfuhrpark, z.B. Stadträder (Cityräder), Trekkingräder, Mountainbikes, Rennräder, Liegeräder, oder auch Falträder, verfügen. Zumindest unterschiedliche Stadt- und Trekkingräder sollten angeboten werden. Auf dem Markt gibt es viele Radtypen und -bezeichnungen. Hinzu kommen Mischformen, sodass die Grenzen häufig verschwimmen.
Erläuterungen zu den wichtigsten Radtypen:
Stadträder, auch Cityräder genannt, sind relativ schwere Räder mit oder ohne Gangschaltung. Dieser Fahrradtyp ermöglicht bequemes Fahren in der Stadt bei aufrechter Sitzposition. Die aufrechte Sitzposition erschwert das Zurücklegen langer Strecken. Stadträder können relativ hohe Lasten befördern und besitzen nur selten eine Kettenschaltung. Eine Sonderform der Cityräder stellen die sogenannten Hollandräder dar, die u.a. einen geschlossenen Kettenkasten besitzen.
Trekkingräder, auch Crossbikes oder ATB (All Terrain Bikes) genannt, sind, vereinfacht gesagt, eine Kreuzung aus Rennrad und Mountainbike mit kompletter Straßenausstattung (Gepäckträger, Licht, Schutzblechen und Ständer). Diese Räder sind für universelles Vorankommen in der Stadt und auf Touren gedacht. Die Bereifung ist breiter und profilierter als bei Rennrädern, aber deutlich schmaler als bei Mountainbikes. Trekkingräder sind in der Regel mit Gepäckträgern ausgestattet – allerdings unter voller Beladung nicht so fahrstabil wie Reiseräder.
Reiseräder sind speziell für Radreisen hergestellte Fahrräder. Optisch gleichen sie einer Mischung aus Renn- und Trekkingrad. Mit robusten und langlebigen Teilen ausgestattet, sind sie darauf ausgelegt, hohe Lasten zu transportieren. Reiseräder sind eher auf ein gemäßigtes Fahrverhalten ausgelegt.
Mountainbikes (kurz MTB) ermöglichen durch ihre kompakte Bauweise und stabile Ausführung das sportliche Fahren auf unbefestigten Wegen und im offenen Gelände. Das Mountainbike hat sich in den vergangenen Jahren in eine Vielzahl unterschiedlicher Spezien aufgespalten. So variieren z.B. die Laufradgrößen, die Reifenbreiten und die Art der Federung.
Rennräder dienen dem Straßenradsport und dem Zurücklegen langer Strecken bei hohem Tempo.
Die Rahmengeometrie
Rahmen- und Sitzhöhe
Die Rahmenhöhe (Angaben hierzu erfolgen in Zentimeter oder Zoll) ist der Abstand zwi-schen der Mitte des Tretlagers und der Oberkante des Sitzrohres. Die korrekte Sitzhöhe ergibt sich aus dem Abstand von der Oberkante des Sattels bis zu der Pedal-Tiefstellung, die man gerade noch mit der Ferse erreicht. Ihre Einstellung ist grundlegende Voraussetzung für ermüdungsfreies Fahren. Eine zu niedrige Sitzhöhe ist kraftraubend und kann zu Knieproblemen führen.
Rahmen- und Sitzlänge
Die effektive Länge des Rahmens ist der horizontale Abstand zwischen der Mitte der Sitz-rohroberkante bis zur Mitte des Steuerrohrs, in dem der Gabelschaft steckt. Diese Länge ist maßgeblich für die Sitzlänge, also der Reichweite zwischen Sattel und Lenker. Die richtige Sitzlänge ermöglicht bei leicht geneigter Sitzposition (max. 30 Grad) die Streckung der Wirbelsäule in ihrer natürlichen Doppel-S-Form. Nur so kann die Rückenmuskulatur den Oberkörper halten und den Druck auf die Hände und Arme verringern. Ist der Rahmen zu lang oder zu kurz, kann man selbst mit unterschiedlich langen Vorbauten und durch Satteleinstellung nicht mehr die gewünschte Sitzposition erreichen. Neben den ergonomischen Aspekten hat die Rahmenlänge auch Einfluss auf die Fahrdynamik.
Stack und Reach: Neue Größen bei der Auswahl der Rahmengröße
Nach Meinung der Fahrradexperten hat die Rahmenhöhe als Bezugsgröße ausgedient. Wer wirklich wissen will, ob ein Rahmen die richtige Größe hat, orientiert sich heute an Stack und Reach. Diese Begriffe bezeichnen den Abstand zwischen der Mitte des Tretlagers und der Oberkante des Steuerrohrs. Stack ist der vertikale Abstand, also die Höhe. Reach ist der horizontale Abstand, also die Länge. Räder mit viel Stack und wenig Reach sind also höher und kürzer. Die Position des Fahrers ist aufrechter, während wenig Stack und viel Reach zu einer mehr gestreckten und nach vorn gebeugten Oberkörperhaltung führt.
2. Schritt: „Bikefitting“ – individuelle Anpassung des gewählten Radtyps
Nach der Auswahl des Radtyps und der Rahmengröße erfolgt das „Bikefitting“, also die individuelle Feinabstimmung durch die Komponenten.
Lenker und Lenkervorbau
Sitzposition und Lenkerform sind aufeinander abzustimmen:
- Beim Lenker sollte auf eine ergonomische Biegung geachtet werden, sodass Unterarme und Handgelenke einen geraden Übergang bilden.
- Je flacher und gestreckter die Sitzhaltung ist, desto gerader darf der Lenker sein.
- Gerade Lenker sind bei sportiven Rädern sinnvoll. Sie unterstützen direktes Lenkverhalten, führen aber zu einer höheren Belastung der Arm- und Schultermuskulatur.
- Es ist darauf zu achten, dass beim Lenkergriff die Handgelenke nicht abknicken und so möglicherweise falsch belastet werden.
- Für Langstrecken sind daher Lenker mit unterschiedlichen Griffpositionen zu empfehlen. Beim sportlichen Radfahren ist der Lenker niedriger als der Sattel und beim genussorientierten Fahren befindet sich der Lenker oberhalb des Sattels.
- Die Lenkerbreite sollte zur Schulterbreite passen und auf den Fahrzweck abgestimmt sein.
- Grundsätzlich ist der Lenker nur dann richtig positioniert, wenn sich die Rückenmuskulatur in einer gewissen leichten Anspannung befindet. Diese Vorspannung stabilisiert die Wirbelsäule und schützt sie vor Überlastungen.
- Eine sehr aufrechte „Hollandrad-Position“, in der Lenker und Griffe nah am Körper sind, ist eher rückenbelastend.
Der Lenkervorbau ist das Verbindungselement zwischen Gabelschaft und Lenker. Durch eine Verstellung des Vorbauwinkels werden sowohl der Abstand zwischen Oberkörper und Lenker als auch die Lenkerhöhe verändert.
Griffe
Anatomisch geformte Griffe mit dämpfenden Eigenschaften tragen zur Vermeidung von Stößen und Druck auf die Nervenwurzeln bei. (Im Bereich des Kleinfingerballens läuft der Nervus ulnaris nah unterhalb der Hautoberfläche. Durch diese Lage ist er Druckbelastungen gegenüber sehr empfindlich.)
Eine große Auflagefläche ist ideal, damit der Druck und eventuell auftretende Taubheitsgefühle im Ringfinger und kleinen Finger minimiert werden.
Besonders geformte Multipositionslenker und Griffe mit Barends/Hörnchen ermöglichen unterschiedliche Hand- und Griffstellungen, sodass eine schnelle Ermüdung von Armen und Handgelenken vermieden werden kann und der Schulter-/Nackenbereich weniger schnell verspannt.
Tipp: Ausführliche Informationen zu Fahrradgriffen finden Sie auf der Seite www.agr-ev.de/fahrradgriffe
Sättel
Der Händler sollte Sättel und Sattelstützen in unterschiedlichen Varianten anbieten.
Der Sattel sollte über eine Entlastungszone im Damm- und Genitalbereich verfügen um eine rückengerechte Stellung des Beckens auf dem Sattel zu ermöglichen (Beibehaltung der Lordose im Lendenwirbelbereich).
Eine individuelle Auswahl des Sattels (Form, Größe, Härte) und Einstellung der Position (Höhe, Neigung, Längsposition) ist fachgerecht vorzunehmen.
Empfehlenswert ist eine Sitzknochenvermessung zur Sattelauswahl.
Tipp: Ausführliche Informationen zu Fahrradsätteln finden Sie auf der Seite www.agr-ev.de/fahrradsaettel
3. Schritt: Individuelle Federung/Dämpfung
Die Federung vermindert Stöße und Schläge, die durch Fahrbahnunebenheiten hervorgerufen werden. Die Deutsche Sporthochschule in Köln hat sich mit den Auswirkungen von Federungen auf die Wirbelsäule beschäftigt und festgestellt, dass bei vollgefederten Fahrrädern die Stöße um 35% gemindert werden. Dadurch wird die Wirbelsäule von kritischen Stoßbelastungen entlastet. Eine Vollfederung schont außerdem den gesamten Halteapparat des Radfahrers. Zusätzlich wird die Fahrsicherheit verbessert.
Der Händler sollte Lösungen anbieten, die eine individuelle Federung/Dämpfung ermöglichen.
Unterschiedliche Federungssysteme:
- An das Körpergewicht anpassbare Federgabel
- Federung in der Sattelstütze oder direkt durch flächige Dämpfungselemente im Sattel
- An das Körpergewicht anpassbare Hinterradfederung
- Vollfederung (Federgabel und Hinterradfederung)
Anforderungskriterien an die Federung/Dämpfung eines Rades:
- Die Federkinematik muss so gewählt sein, dass eine geringe Wechselwirkung zwischen Antrieb und Federung gewährleistet ist.
- Eventuelles Gepäck muss mitgefedert und daher am Rahmen befestigt sein. Die Wirkungsweise der Federung und die Fahrsicherheit (Gewichtsverteilung) dürfen durch die Beladung nicht beeinträchtigt werden.
- Auch auf eine speziell ausgewählte Bereifung mit dosierbarem Reifendruck unter Berücksichtigung der Fahrdynamik sollte geachtet werden.